TBA° Trauer-Bewältigung durch Achtsamkeit
Aus eigener Betroffenheit und nach jahrelanger Suche nach einem Weg, die Trauer und den unerträglichen Schmerz über den Verlust meines verstorbenen Kindes zu bewältigen, habe ich, basierend auf den Erkenntnissen des MBSR, das TBA°-Konzept (Trauer-Bewältigung durch Achtsamkeit) entwickelt. Es richtet sich gezielt an Trauernde nach einem schweren Verlust, und wird in meinen Seminaren eingesetzt.
Im TBA – Konzept sind verschiedene Erkenntnisse die sich in der Trauerbewältigung als hilfreich erwiesen haben, zusammengeführt:
1. Aus der Trauma-Arbeit wissen wir: Schwierige Gefühle, die mit dem Tod eines geliebten Menschen einhergehen wie Trauer, Schuldgefühle oder Wut wollen nicht abgeschoben, sondern gefühlt werden. Aber nicht unkontrolliert, so dass wir von ihnen überwältigt werden, sondern durch achtsames Wahrnehmen und Beobachten. Dadurch verschwinden sie nicht, aber sie verlieren an Bitterkeit und Schärfe.
What you resit, persist - what you feel, you can heel. Was du weghaben willst, das bleibt dir – was du fühlst, kann heilen.
2. Aus den umfangreichen Forschungen zu Selbst-Mitgefühl (MSC) wissen wir: Unsere Trauer braucht keine guten Ratschläge, sondern echtes Mitgefühl. Echtes Mitgefühl beginnt damit, dass wir erst einmal unser großes Leid ANERKENNEN dürfen. Da ist nicht unsere Pizza verbrannt, oder unser Auto hat einen Totalschaden - sondern unser Kind ist gestorben! Ein LKW ist über unsere Seele gefahren!
Deshalb brauchen wir Zuwendung und liebevolle Fürsorge. Und wir wissen, dass unser Nervensystem wunderbarerweise auf Selbst-Mitgefühl genauso positiv reagiert, wie auf Mitgefühl, dass uns von außen entgegengebracht wird.
Im MSC Programm von Christin Neff finden sich viele hilfreiche Einheiten, die uns lehren, uns selbst und unserer schlimmen Situation mit Selbst-Mitgefühl und Verständnis zu begegnen.
3. Aus der Gehirnforschung im Bereich „Positive Neuroplastizität“ wissen wir: Das b e w u s s t e Erleben von positiven Momenten ist der Weg zu mehr innerer Stärke, Wohlbefinden und Leichtigkeit.
Täglich erfahren wir ja, trotz unseres schweren Schicksals, kleine Momente des Wohlbefindens, der Verbundenheit, des Genusses. Aber wir nehmen sie nicht wirklich wahr, sie gleiten (im Gegensatz zu schlechten Erfahrungen) in Sekundenschnelle an uns ab.
In ganz kleinen Übungen aus dem Programm zur positiven Neuroplastizität von Rick Hanson können wir diese angenehmen Gefühle einladen, „bei uns zu verweilen“. Wir lernen, ganz achtsam in angenehme Erfahrungen hinein zu spüren, bis die neuronalen Bereiche in unserem Gehirn, die für Wohlbefinden zuständig sind, stärker werden und mehr Platz einnehmen.
In diesem Zusammenhang möchte ich das Trauermodell "Growing around Greef" der neuseeländischen Trauerbegleiterin Lois Tonkin erwähnen. Es räumt endlich mit der Idee auf, dass die Zeit alle Wunden heilt und die Trauer mit der Zeit weniger werden muss. Bei diesem Trauermodell darf unsere Trauer, die ja auch ein anderes Wort für Liebe ist, einfach bleiben. Aber drumherum dürfen die nährenden und freudvollen Dinge wachsen und wuchern!
David Althaus hat das in einem wunderbaren Beitrag zusammengefasst, den ich Ihnen ans Herz legen möchte. SIe finden den Link ganz unten auf dieser Seite.
4. Grundlage und Schlüssel für all das ist die Praxis der Achtsamkeit - MBSR Achtsamkeit nimmt in der Bewältigung schwerer und traumatischer Gefühle, aber auch kleiner Stress-Situationen die uns im Alltag belasten, einen ganz wichtigen Platz ein. Sie kann in ihrer Wirksamkeit für die Bewältigung der Trauer nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Das MBSR- Programm von Jon Kabat Zinn bietet uns eine Fülle an Einsichten und sehr praktischen Achtsamkeits-Übungen.
Diese Übungen machen Mut. Denn wir sind unserem Schmerz und unserer Trauer nicht so hilflos ausgeliefert, wir können ganz konkret etwas tun. So wie wir täglich zweimal unsere Zähne putzen, oder wohltuende Übungen für unsere Bandscheiben machen, können wir uns täglich ein wenig um unsere so unendlich verletzte Seele kümmern.
Das ist unser Weg: Unser Kind, unseren geliebten Menschen, können wir nicht wieder lebendig machen. Aber wir können unserem Leben wieder Mut und Hoffnung, Freude und Zuversicht verleihen. Nicht immer - aber immer wieder!
Mehr Informationen über MBSR und MSC, sowie angeleitete Achtsamkeitsübungen aus dem MBSR & MSC Programm, finden Sie auf meiner Webseite mbsr-gelassenheit.de
Wenn Sie noch mehr über die Wirkungsweise von MBSR wissen möchten, empfehle ich Ihnen sich 50 Minuten Zeit zu nehmen und sich die unten stehende Dokumentation auf Arte anzuschauen-ein sehr seriös recherchierter, informativer Film, der inspiriert und motiviert.
Beitrag von David Althaus über "Growing around Greef"https://www.vivas-online.de/blog1/growing-around-grief